Playback Room part I: Colourbox - Music of the group (1982 - 1987)
13. September - 25. Oktober 2014
Mit dieser Ausstellung eröffnet die Reihe Playback Room, die über die nächsten Monate einen eigenen Ort für die Wiedergabe von Musikaufnahmen bieten möchte. Es gilt als ganz selbstverständlich, dass man ein Museum aufsucht, um Kunstwerke im Original zu sehen. Einen vergleichbaren Ort oder Raum, wo man Musik in Studioqualität hören kann, in der sie aufgenommen wurde, gibt es jedoch nicht.
Für Livemusik gibt es eigene Orte, für aufgenommene Musik hingegen nicht. Das ist ein Widerspruch zu der Tatsache, dass viele Musiker:innen in der finalen Aufnahme eines Songs oder eines Albums die eigentliche Essenz ihrer Arbeit sehen. Die monatelange Arbeit im Studio hat ein Werk mit optimaler Soundqualität hervorgebracht und ganz im Gegensatz zu diesem Bemühen, sind 99,9 % der privaten, kommerziellen oder transportablen Abspielgeräte nicht dafür geeignet, genau dieses Ergebnis wiederzugeben. Die digitalen Kompressionsverfahren der vergangenen Jahre haben darüber hinaus zu einer zunehmenden Verbreitung der Wiedergabe in schlechter Tonqualität geführt.
Ohne Zweifel ist Musik für bildende Künstler:innen eine wichtige Inspiration und viele von Ihnen bewundern bestimmte Aufnahmen zutiefst. Die meisten Versuche Musik in Galerien zu präsentieren, greifen auf ergänzende visuelle Nebenprodukte zurück und zeigen in den seltensten Fällen die Musik an einem dafür geeigneten Ort, zu dem dann auch hochwertiges Lautsprechersystem gehören würde. Mit dem Projekt Playback Room hofft Between Bridges eine kritische Diskussion dieses Umstands anzustoßen.
Für Colourbox - Music of the group (1982 - 1987) wird der größere Raum von Between Bridges zu einem mit einem High End Hi-fi Soundsystem ausgestattetem Wiedergaberaum, in dem eine Sequenz von 16 Songs zu hören sein wird. Einen Einblick in die Geschichte der jeweiligen Aufnahmen bekommt man im Eingangsbereich von Between Bridges. Dort werden neben den originalen Mastertapes, als 2”, 1/2” und 1/4”, auch die beim Londoner Independent Label 4AD veröffentlichten und vom legendären Designer Vaughan Oliver gestalteten Alben ausgestellt und einsehbar sein. Ergänzend hierzu wird auch eine transkribierte Liste der von Colourbox verwendeten Samples zu sehen sein.
Schon die eigene Arbeitsweise von Colourbox prädestinieren die Band für eine Auseinandersetzung mit aufgenommener Musik. Sie haben Liveauftritte abgelehnt, und auch sonst keine weiteren Verwertungsformen außer den veröffentlichten Alben angestrebt. Die Brüder Martyn und Steven Young waren zusammen mit Ian Robins, Lorita Grahame und Debian Curry Pioniere einer experimentellen Popmusik. Ihr eklektischer Sound speist sich aus Reggae und Soul, Beat Box getriebenen Hip-Hop Rhythmen, Blue-Eyed-Soul, und einer Verbindung weit auseinander liegender Einflüsse wie klassischem R&B, Dub und Industrial.
Mit der Montage von analogen Magnetbändern und dem experimentellen Einsatz von Tonbandgeräten gehören Colourbox zu den Vorläufern des Samplings, welches dann in seiner digitalen Variante im Laufe der 1980er allgegenwärtig wurde. Die Band arbeitete in einem scheinbaren Gegensatz von reiner künstlerischer Forschung im Studio und einem anti-intellektuellen Habitus gegenüber der Außenwelt. Die teilweise vom Soul inspirierte, teilweise klirrende und geminderte, stellenweise auch raue Tonqualität ihrer Aufnahmen unterschied sich deutlich von denen ihrer Label-Kollegen auf 4AD, wie Dead Can Dance, Cocteau Twins und This Mortal Coil.
Zwar hatte die Band bemerkenswerten Erfolg in den Independent Charts, doch fand sie lange keine Anerkennung im Mainstream. Das änderte sich 1987 als sie unter dem Namen M.A.R.R.S. mit A.R. Kane zusammenarbeiteten und mit der Single Pump up the Volume einen internationalen Nummer 1 Hit hatten. Der Track, der fast ausschließlich aus nicht-lizensierten Samples komponiert ist, wurde der Auslöser jahrelanger Rechtsstreits und Gerichtsverfahren. Das führte dazu, dass Colourbox sich entschied keine Aufnahmen mehr zu machen und seitdem auch keine Musik mehr veröffentlicht hat.
Text: Wolfgang Tillmans (aus dem Englischen übersetzt von Oliver Kohlmann)
Anlässlich dieser Ausstellung wurde von 4AD eine CD mit 16 Titeln und eine Doppel-LP in limitierter Auflage veröffentlicht, die von Wolfgang Tillmans zusammengestellt wurde.
Press on the exhibition:
Alex Needham, Wolfgang Tillmans to open music 'playback room' in Berlin gallery, theguardian.com 12 September 2014 (EN)
Wolfgang Tillmans im Interview: Wie stellt man Musik aus?, monopol, 17 October 2014 (DE)