THESES ON HOPE
Eine fortlaufende Programmreihe von Between Bridges kuratiert von Viktor Neumann
Between Bridges widmete das Auftakt-Programm seines neuesten Ausstellungsraums in der Adalbertstraße 43 der fortlaufenden Programmreihe THESES ON HOPE, die sich zwischen Juli 2022 bis Dezember 2024 entfaltet hat.
Der Ausgangspunkt von THESES ON HOPE war eine neu imaginierte Vorstellung der Politik, der Poetik und des performativen Potenzials von Hoffnung, wie sie von dem Performance-Theoretiker José Esteban Muñoz (1967–2013) in seinem wegweisenden Buch Cruising Utopia (2009) nahegelegt wurde. Die Programmreihe erkannte den nachhaltigen Einfluss des Werks auf eine Generation von Künstler:innen und Denker:innen als Impulsgeber für die Queer of Color Critique und Affekttheorie an. Dabei begriff sie sich in einer engen Verbindung zu dem neu eröffneten Verhältnis zwischen Queerness und Temporalität, das Formen der Zusammengehörigkeit über zeitliche Begrenzungen hinaus anstrebt.
Muñoz kreist in Cruising Utopia um eine kritische Lektüre der umfangreichen Abhandlung Das Prinzip der Hoffnung (1938-47) des marxistischen Philosophen Ernst Bloch, die konkrete Utopien als produktive Denkfigur etablierte. In Verbindung mit historisch verorteten Bewegungen bieten solche Utopien eine Bühne für die Performance von Zukunft, um eine niederschmetternde Gegenwart bewältigen zu können. Indem er das Bloch’sche Konzept eines antizipatorischen Potenzials von Kunst im Sinne eines Erspürens des Noch-nicht-Bewussten fortführt, begreift Muñoz Hoffnung als einen kritischen Affekt und als eine Methode, um einem Klima des politischen Pessimismus entgegenzutreten. Er betont dabei nachdrücklich die Rolle, die Ästhetik (und insbesondere queere Ästhetik) dabei zuteilwerden kann, um Entwürfe für eine vorwärtsweisende Zukunft zu erträumen, um die düstere Gegenwart zu bewältigen, deren Überwindung als eine körperlich empfundene Notwendigkeit begriffen wird. In diesem Sinne ist das Fühlen von Utopie, das Muñoz vorschlägt, eine zukunftsorientierte Praxis und Handlungsoption, die einer rückwärtsgewandten Gegenwart ein Beharren auf den Möglichkeiten einer anderen Welt entgegenstellt.
Mehr als ein Jahrzehnt nach der Veröffentlichung von Cruising Utopia und inmitten einer erneuerten niederschmetternden Gegenwart ging die Programmserie von einer Reihe von Fragen aus: Wie können wir die politischen und sozialen Dimensionen von Hoffnung neu denken und neu aufführen? Wie können wir Hoffnung artikulieren und präsentieren? Wie genau können wir Räume schaffen für die Performance von Hoffnung?
THESES ON HOPE war konzeptionell und poetisch zutiefst von dem performativen Text Ten Theses on Touch, or, Writing Touch (2015) der Performance-Theoretikerin Hypatia Vourloumis inspiriert, den sie wiederum José Esteban Muñoz gewidmet hat. Vourloumis verwendet theses im musikalischen und haptischen Wortsinn als "dirigierte[n] Abwärtsschlag [...] ein kompositorisches Gefüge aus materiellen, affektiven, räumlichen, zeitlichen, kontingenten Auswirkungen und Vielfältigkeiten", die in Serien nachhallen (1). Einzeln – jedoch zusammen und in unmittelbarer Nähe noch viel lauter – heißen sie Praktiken und Sprachen aus unterschiedlichen Zeiten, Orten, Ästhetiken und Ethiken willkommen.
In diesem Geiste hat sich auch THESES ON HOPE mittels einer Vielstimmigkeit von Thesen symphonisch entfalten, die unter anderem die Form von Ausstellungen, Gesprächen, Performances, Nachbarschaftsprogrammen, Lesegruppen, Publikationen angenommen hat. THESES ON HOPE bot eine Infrastruktur für beharrliches Hinterfragen und Suchen, für Vorschläge und Erprobungen, für additive und prozessuale Formate und begrüßte Praktiken, die sich mit vergangenen und gegenwärtigen, nahen und fernen emanzipatorischen Bewegungen befassen; die sich nach Verbindungen zu anderen über Raum und Zeit hinweg sehnen; die einer „Art des Begehrens, die es uns erlaubt, über den Morast der Gegenwart hinaus zu sehen und zu fühlen“ (2) eine Plattform geben und die Einblicke in eine andere Welt bieten.
1 Hypatia Vourloumis, “Ten Theses on Touch, or, Writing Touch,” Women & Performance: a journal of feminist theory, accessed July 3, 2022
2 José Esteban Muñoz, Cruising Utopia: The Then and There of Queer Futurity (New York and London: New York University Press, 2009), 1.